Seit Jahrhunderten liegt die Trägerschaft des Dissener Friedhofs bei der evangelisch - lutherischen St. Mauritius-Kirchengemeinde.
Der Friedhof soll ein Ort sein, an dem wir trauern können, neue Hoffnung gewinnen, zur Ruhe kommen und auch uns erholen können. Denn es ist gleichzeitig die größte Grünanlage unserer Stadt.
Der folgende Abschnitt gewährt Einblicke wie es zur jetzigen Lage des Friedhofes gekommen ist.
Von Joachim Brandt
Jedem Besucher fällt in Dissen der große Platz rund um die Kirche auf. Unschwer lässt sich erkennen: es ist der frühere Friedhof. Seit Jahrhunderten wurden hier die Toten des sehr großen Kirchspiels beigesetzt. Weil heute der Straßenverkehr bis dicht an die Nordseite der Kirche heranreicht, wirkt nur noch der Platz südlich der Kirche als Ruhezone. Ganz anders muss das vor 200 Jahren gewesen sein: Die Kirche lag inmitten des Friedhofes und dieser war von einer fast geschlossener Häuserreihe umgeben. An einigen Stellen waren Durchlässe vorhanden, die aber mit hölzernen Gattern versehen waren, um das Vieh möglichst fern zu halten. Abends musste der Küster die Gatter verschließen. Auch die Häuser, die den nördlichen Teil des Friedhofes umgaben, den sog. Kleinen Kirchhof, sind nicht mehr vorhanden. Dazu gehörten einige Gebäude, die auf dem heutigen Karlsplatz standen, und die alte Kantorschule. Ob die Schüler die Friedhofsruhe respektierten, ist zweifelhaft, denn auch die Erwachsenen trieben hier, besonders am Vorabend des Osterfestes, „unter Lachen und Springen allerley ärgerliches Wesen“, worüber 1717 vom Pastor schriftlich Klage geführt wurde.
Wenn der Friedhof 1828 aus dem Ortskern an seine heutige Stelle verlegt wurde, die damals weit außerhalb des Dorfes lag, dann sicherlich nicht, um den Verstorbenen die Totenruhe zu gewährleisten. Einer der Gründe war die gestiegene Bevölkerungszahl, für die der vorhandene Platz nicht mehr ausreichte. Ein anderer Grund war dieser: Unter hygienischen Aspekten hatte Napoleon bereits um 1810 verfügt, dass die Friedhöfe aus den Ortskernen und der Nähe der Brunnen entfernt werden müssten. Bedenkt man, dass fast alle Häuser am Dissener Kirchplatz ihre hauseigenen Brunnen oder Pumpen besaßen, dann war diese Forderung mit Sicherheit berechtigt. Aber es dauerte noch lange, bis diese Forderung erfüllt wurde. Nur wenige Jahre nach der Verlegung brannten 1832 alle Häuser am südlichen Teil des alten Kirchhofes ab.
Der Wiederaufbau erfolgte meistens auf den erhaltenen Grundmauern, aber jetzt wurde der Platz neu gestaltet, von einer Straße umgeben und die Neubauten erhielten vom Kirchplatz aus ihren Zugang, der vorher an der Rosinenstraße bzw. am Marktplatz lag. Noch heute finden sich bei Straßenarbeiten am Kirchplatz Skelettreste dicht an den Häusern, woraus man ersehen kann, dass der Platz bis dorthin für Beerdigungen genutzt wurde. Heute hat das Kriegerdenkmal, das nach dem 1. Weltkrieg errichtet wurde, auf dem alten Kirchhof einen würdigen Platz gefunden.
Auf dem neuen Friedhof wurden die Grabplätze zum Teil als Erbbegräbnisse „auf ewige Zeiten“ verkauft. Eine alte Liste der verkauften Plätze nennt an erster Stelle als gemeinsame Käufer den Pastor Kreß, den Rentmeister Richard und den Kantor Brandt, dessen Grabstein von 1849 noch heute als ältester auf dem Friedhof erhalten ist.
Trauerfeiern fanden noch nach dem zweiten Weltkrieg im Hause der Verstorbenen statt. Anschließend wurde der Sarg im Trauerzug mit Gesang oder Blasmusik durch Dissen zum Friedhof geleitet. Erst nach 1950 wurde eine Trauerkapelle auf dem Friedhof errichtet, die später erweitert und mit einem Vordach versehen wurde.
Viele Grabsteine erinnern heute an die Familien früherer Pastoren und Honoratioren, an alteingesessene Hofbesitzer, an Fabrikanten, an die Herkunft der Vertriebenen, an Gefallene der Weltkriege und sind so zu Zeugen der Geschichte geworden. Dazu gehört u.a. das Grabmal für einen preußischen Soldaten, der 1864 im deutsch-dänischen Krieg verwundet wurde, im Kriegslazarett starb und dann in seine Heimatgemeinde überführt wurde.
Ein Gang über den Friedhof mit seinen uralten Platanen erscheint deshalb wie ein Blick in längst vergangene Zeiten.